German Council Magazin 04.2017 - page 10

GCM 4/2017
GERMAN COUNCIL . Kompetenz
Helmut Schön war der erfolgreichste Fußball-
nationaltrainer aller Zeiten. Er galt als feinsin-
nig, nachdenklich und intellektuell. Becken-
bauer & Co haben ihn dafür geliebt, dass er
mit der Tradition des »Diktators im Trainings-
anzug« brach. Braucht der Profisport wieder
mehr solcher Typen?
Der Mann mit der Mütze ist tatsächlich weniger
für seine Fachkompetenz in Erinnerung geblie-
ben als viel mehr wegen seiner Fähigkeiten auf
persönlicher Ebene. Er hatte einen warmherzi-
gen Charakter, war ein Vorbild und stellte sich
auch schützend vor seine Mannschaft. Es gab
übrigens noch jemanden, der genauso lange
im Amt war und eine ebenso starke Persönlich-
keit ist: Heiner Brand, der die deutsche Hand-
ball-Nationalmannschaft 14 Jahre lang trainiert
hat. In der jüngeren Generation gibt es aber
auch gute Beispiele für starke Persönlichkeiten
im Trainergeschäft. In jedem Fall gehören Jür-
gen Klopp dazu, aber auch Jürgen Klinsmann
und Jogi Löw, die neue Maßstäbe beim Deut-
Sie forschen zum Thema »Kompetenz« im Leis-
tungssport. Warum hat man das Gefühl, dass
heutzutage so viele Trainer scheitern? Kaum
sind sie angetreten, werden sie auch schon wie-
der gefeuert … Alle inkompetent?
Definitiv ist das nicht so. Fachkompetenz in
Form von erworbenen Lizenzen ist inzwischen
ein must-have, ohne das nichts mehr läuft. Hier
gibt es auch entsprechende Regelungen der
Verbände. Franz Beckenbauer war vermutlich
der letzte Trainer, der ohne anerkannte Lizenz
eine Nationalmannschaft zum Erfolg geführt
hat. Offiziell hat man ihn damals als »Team-
chef« eingesetzt, als er die Nachfolge von Jupp
Derwall angetreten hat. Aber so würde das heu-
te nicht mehr laufen. Wenn Trainer scheitern,
liegt das in der Regel nicht an ihrer formalen
Qualifikation. Die sollten alle auf dem neuesten
Stand in Technik- und Trainingsfragen sein. Es
liegt an anderen Mechanismen, die da greifen.
Die erfolgreiche Umsetzung von erworbenen
Fachwissen ist die individuelle Aufgabe. Um es
kurz zu sagen: »Qualifikation ist fremdbe-
stimmt, Kompetenz ist selbstbestimmt.«
Und was bedeutet Kompetenz dann eigentlich?
Zunächst einmal ist es Schwarz-Weiß-Begriff.
Es gibt nur kompetent und inkompetent. Wer
für sich proklamiert, kompetent zu sein, ist
also schon mal auf der richtigen Seite. Das gilt
auch, wenn ein Dritter jemanden als kompe-
tent bezeichnet. Im Alltagsverständnis wird
Kompetenz gleichgesetzt mit Zuständigkeit,
Befugnis, Sachverstand und Vermögen. In der
Wissenschaft definieren wir noch präziser.
Kompetenz ist die geeignete Kombination von
Verhaltensweisen und -potenzialen zur Errei-
chung gewünschter Ergebnisse. Der Fußball-
»Qualifikation ist fremdbestimmt,
Kompetenz ist selbstbestimmt«
Ein Gespräch mit dem Sportmanagement-Experten Thomas Apitzsch über Demut,
positives Scheitern sowie die Ungeduld von Trainern und Managern
schen Fußball-Bund gesetzt haben. Ihre Kompe-
tenz besteht darin, stark führen zu können,
gleichzeitig aber auch kooperationsfähig zu
sein. Da zeigten sie insbesondere durch die Inte-
gration von Experten in Bereichen wie dem Ath-
letiktraining oder der Sportspsychologie.
Starke Führung und Kooperation hätte man
früher als Widerspruch empfunden …
Heutzutage ist das kein Widerspruch mehr. Da
hat längst ein Perspektivenwechsel stattgefun-
den. Der Trainerstab ist größer geworden und
erfordert interne Kooperation und Teamfähig-
keit. Aber auch im Umgang mit den Sportlern
und Sportlerinnen sind Trainer stärker als früher
gefordert. Die Spieler im professionellen Fußball
sind mündiger geworden; sind gebildeter als
noch vor 20 Jahren und wollen nicht nur als
Spielermasse wahrgenommen werden. Trainer
müssen sich in Empathie üben, aus vielen unter-
schiedlichen Menschen eine Mannschaft for-
men und zum Erfolg führen. Das geht nicht mit
der Brechstange.
© wikimedia commons: Verhoeff, Bert / Anefo
Müller, Beckenbauer und Trainer Schön beimWM-Finale 1974 in München
›Kompetenz ist ein
Scharz-Weiß-Begriff.‹
Thomas Apitzsch
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