German Council Magazin 04.2017 - page 6

GCM 4/2017
GERMAN COUNCIL . Kompetenz
Dass Steve Jobs ein kluger Kopf war, bestreitet
niemand. Dass der Mann was von Technik und
Elektronik verstand, würde dem Miterfinder
des Apple-Heimcomputers und Investor des
iPhones sicher auch jeder bescheinigen. Aber
besaß der 2011 verstorbene Computerunter-
nehmer auch soziale Kompetenzen? Das mag
man bezweifeln, wenn man an seine berühmt-
berüchtigten cholerischen Anfälle denkt.
Ferdinand Porsche, Gründer der Zuffenhause-
ner Sportwagenschmiede, gilt als genialer Au-
tomobilkonstrukteur. Dass sein bekanntester
Wurf, der VW-Käfer, ein gelungenes Fortbewe-
gungsmittel war, meinen hingegen nur einge-
fleischte Fans des werksintern kurz als VW I
bezeichneten Fahrzeugs. Dessen luftgekühlter
Heckmotor ließ die Insassen im Winter frieren
und die Passagiere auf der Rückbank im Som-
mer schwitzen. Obendrein war das Boxerag-
gregat durstig, der Kofferraum klein, und die
hohe Hecklast machte Fahrten bei höheren
Geschwindigkeiten schon mal zu einem russi-
schen Roulette auf öffentlichen Straßen.
Zelle in seinem Umkreis aufnehmen kann, um
seinen Hunger zu stillen. Das kriegt nur noch
das gefürchtete »Streptococcus pneumoniae«
hin, der Verursacher der Lungenentzündung.
Biologen bezeichnen diese Fähigkeit, sich selbst
zu mästen, als Kompetenz.
Die Wissenschaft von den Lebewesen ist ande-
ren Forschungszweigen im kompetenten Ge-
brauch des Wortes Kompetenz voraus. Denn
die Biologie kennt nur diese eine Bedeutung
für den Begriff. Ganz im Gegensatz zu den
meisten anderen Lehren. Beispiel Linguistik: In
der Sprachwissenschaft steht Kompetenz einer-
seits für die Fähigkeit, »eine Aussage gramma-
tisch, orthografisch und syntaktisch korrekt zu
formulieren«. Andererseits bezeichnet der
Fachausdruck das Vermögen, sich »im sozialen
Kontext adäquat auszudrücken«. Ein »kompe-
tenter« Mensch ist nach erster Definition fähig,
Von sozialen Fähigkeiten und
analytischem Wissen
Kompetenz. Kaum ein Wort wird so häufig verwendet, um Menschen mit herausragenden Fähig-
keiten und enormen Erfolgen zu beschreiben. Manager und Politiker verwenden den Begriff nur
zu gern, um sich selbst ins rechte Rampenlicht zu rücken – und die Konkurrenz zu deklassieren.
Keine Frage, wer als kompetent gilt, liegt ganz vorne. Das wissen auch Biologen, Pädagogen,
Psychologen und Linguisten. Und jeder liefert eine andere Definition
Kompetenz – kaum ein anderes Wort wird so
häufig verwendet, um Menschen mit herausra-
genden Fähigkeiten und Erfolgen zu beschrei-
ben. Manager und Politiker verwenden nur zu
gern den Begriff, um sich selbst zu erhöhen
und Konkurrenten und Widersacher zu ernie­
drigen. »Bonn fehlt es nicht an Kompetenzen,
sondern an Kompetenten«, witzelte etwa der
Sozialdemokrat Johannes Rau über seine Kolle-
gen in der einstigen Bundeshauptstadt, nach-
dem er 1978 Ministerpräsident von Nordrhein-
Westfalen geworden war. Der Hattersheimer
Publizist und Aphoristiker Andreas Egert wie-
derum höhnt, »Kompetenz gipfelt meistens im
Gerangel, Wirrwarr oder Tohuwabohu – nichts
genaues weiß man nicht.«
Kompetente Bakterien
sind nie hungrig
Was die kompetente Verwendung des Aus-
drucks zugleich so vielfältig und schwierig
macht, sind seine unterschiedlichen Bedeutun-
gen. Das beginnt bereits beim Wortursprung.
Im Lateinischen. In der Sprache des früheren
römischen Reiches und heutigen »Linguae sac-
rae« der Gelehrten hat der Terminus in zwei
Wendungen seinen Ursprung: »competentia«
meint die »Eignung für etwas«; competere hin-
gegen kann sowohl ein »Zusammentreffen ge-
eigneter Faktoren« bezeichnen, als auch »für
etwas ausreichen«, »zu etwas fähig sein« oder
»auf etwas Anspruch haben«.
Wie vielfältig die Bedeutung des Wortes sein
kann, offenbart ein Blick mit dem Mikroskop
auf »Bacillus subtilis«, das nur wenige Zentime-
ter tief in unserem Erdboden ein scheinbar har-
tes Dasein führt. Das stäbchenförmige Bakteri-
um, gerade einmal zwei bis drei Tausendstel ei-
nes Millimeters kurz, widersteht heißen Som-
mern wie eisiger Winterkälte. Weder extreme
Trockenheit noch durchdringende Nässe ma-
chen ihm etwas aus. Wie macht es das? Das als
»Heubazillus« bekannte Wesen ist immer bes-
tens genährt, weil es DNA aus jeder anderen
Ferdinand Porsche
Steve Jobs
©Wikimedia Commons: MetalGearLiquid + Matt Yohe
©Wikimedia Commons: Bundesarchiv
1,2,3,4,5 7,8,9,10,11,12,13,14,15,16,...92
Powered by FlippingBook