German Council Magazin 04.2018 - page 18

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GCM 4/2018
GERMAN COUNCIL . INTERVIEWS
wichtiger als Sortimente im Handel. Der Bin-
nenmarkt ist viel eher gefordert, wenn es zu
Protektionismus oder zu Diskriminierung in In-
dustrie-Sektoren kommt – beispielsweise im
Bereich Automotive, im Baubereich, bei Ban-
ken und Versicherungen. Im Handelsbereich
besteht eher eine eingeschränkte Nachfrage
der Mitgliedstaaten nach europäischen Regeln.
Sie meinen, es ist ein Prozess, der in Gang ge-
setzt ist, aber einfach seine Zeit braucht?
Genau.
Betrifft das auch die Besteuerung von Google,
Apple & Co? Immerhin erwirtschaften diese Un-
ternehmen einen Großteil ihrer Gewinne in Eu-
ropa, zahlen aber immer noch kaum bis keine
Steuern hier. Wie kann man die Steuerschlupflö-
cher, die diese Unternehmen nutzen, endgültig
schließen?
Im analogen Bereich ist die Zuordnung von
Wertschöpfung sehr leicht. Wenn Sie einen
Mercedes in Sindelfingen bauen, und
es kommt eine Batterie aus Frankreich,
Reifen aus Italien und Komponenten
aus Bratislava, dann kann man den in-
ternen Verkaufspreis und die Erlöse
daraus sehr leicht den Standorten zu-
ordnen und auch dort besteuern. In
der virtuellen Welt ist das viel schwie-
riger. Wenn man beispielsweise hier in Brüssel
sitzt und das Wetter auf Mallorca googelt, oder
einen Last-Minute-Urlaub bucht und das regel-
mäßig macht, bekommt man auf dem Display
eine sehr zielgenaue Werbung – ohne Streuver-
lust. Und man weiß, was derjenige kauft und
Rolle spielt: die Digitalisierung. Die Grundlage
dafür ist der Ausbau der Breitbandanschlüsse
und Glasfasernetze. Deutschland liegt dabei auf
dem 29. Platz in Europa. Was müsste getan wer-
den, um weiter vorne mitzuspielen?
Ich habe vor zwei Jahren eine Untersuchung
veranlasst, um herauszufinden, wie groß der
Datentransportbedarf 2025 sein wird. Wenn
man alles addiert – digitale Kommunikation
inklusive Social Media, Livestreaming, Indust-
rie 4.0, die Nutzung von Plattformen wie
Google oder Erkennungstechnologien – dann
kommt man in den Bereich von 1000 Megabit.
Und dafür brauchen wir flächendeckende
Glasfasernetze, und die Mobilfunkanbieter
müssen das Netz 5G flächendeckend ausbau-
en. Sonst können alle diese Dienste nicht
funktionieren.
In den großen Städten ist die Versorgung schon
ganz gut. Aber wie sieht es auf dem Land aus?
Es gibt digitale Infrastrukturen, die sich wirt-
schaftlich für die Investoren rechnen,
aber es gibt auch Landstriche, in de-
nen es sich nicht lohnt. Die börsen-
notierten Telekommunikationsunter-
nehmen müssen ja Gewinne machen;
das erwarten ihre Aktionäre von ih-
nen. Und deshalb werden die Unter-
nehmen nur da hingehen, wo auch
solche Gewinne möglich sind. Das schließt bis-
lang noch einige geografische Bereiche aus.
Nur durch Förderung werden wir es hinbe-
kommen, dass auch der abgelegene Bauern-
hof im Schwarzwald digitale Infrastruktur be-
kommt.
nutzt. Und daraus entstehen Werbeeinnahmen.
Aber entstehen die jetzt bei Apple, bei Google
oder in Brüssel? Der Mensch, dessen Daten man
kennt, sitzt zwar in Brüssel, aber die Software
und die Applikationen sind in Kalifornien entwi-
ckelt worden und die Hardware, das Smartpho-
ne, in Asien. Das ist alles nicht so einfach.
Wir als EU-Kommission haben trotzdem einen
Vorschlag unterbreitet, der Folgendes vor-
sieht: Man erhebt einen kleinen Prozentsatz
auf den Umsatz, um so einen Teil der Gewin-
ne abzuschöpfen zu können. Jetzt ist der Ball
beim Rat. Die dort vertretenen Minister müs-
sen unseren Vorschlag beraten und werden
ihn hoffentlich annehmen. Bei Steuerfragen
brauchen wir allerdings immer Einstimmig-
keit, was die Sache so schwierig macht. Und
einige Mitglieder haben eine größere Nähe
zu den großen amerikanischen Plattformen,
die in ihren Ländern einen Europa-Sitz haben,
als andere. Dadurch ist die Motivation, die
Unternehmen dort zu besteuern, nicht ganz
so ausgeprägt wie beispielsweise in Frank-
reich oder bei uns in Deutschland.
Lassen Sie uns zu einem Thema kommen, das
für den stationären Handel auch eine wichtige
© Alexander Louvet – www.powershoots.be
›Im Handelsbereich besteht eher eine
eingeschränkte Nachfrage der Mitgliedstaaten
nach europäischen Regeln.‹
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