German Council Magazin 04.2018 - page 12

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GCM 4/2018
GERMAN COUNCIL . WANDEL
KAUF DOCH WOANDERS!
Keine Preisschilder, keine Angebote, keine Verkäufer – sogar die Höhe des Umsatzes in den
Läden von »B8ta« ist egal. Dennoch laufen die Geschäfte des US-Start-ups ausgesprochen gut.
Wie das sein kann? Nicht nur die jungen Amerikaner sind sicher: Das Unternehmen, das nur
präsentiert und nicht verkauft, ist ein Meilenstein im Transformationsprozess des stationären
Einzelhandels
Das heißeste Einzelhandelskonzept der USA äh-
nelt optisch einer Galerie. Oder vielleicht auch
einem Design-Museum. Aber ohne Aufpasser,
die mit scharfem Blick darüber wachen, dass
man bloß nichts anfasst. Denn das ist hier bei
»B8ta« ausdrücklich erlaubt. Auf massiven
Holztischen präsentieren sich Neuheiten aus
der Welt von Technik und Elektronik, sparta-
nisch arrangiert und ohne Verpackung. Ein jun-
ger Mann testet einen Toaster, ein anderer setzt
sich eine so genannte Virtual-Reality-Brille auf.
Dazwischen rollt ein Kunde auf einem akkube-
triebenen Hoverboard.
Ausprobieren ist in dem jungen Unternehmen
aus San Francisco kategorisch erwünscht. Wo
die Kunden anschließend einkaufen, – ob vor
Ort, auf der Website oder gar bei einem ande-
ren Händler – »das ist uns herzlich egal«, sag-
te B8ta-Manager Kevan Wilson einem deut-
schen Wirtschaftsmagazin.
Denn nach wie vor ist der Makel des reinen
Online-Handels die fehlende haptische Erfah-
rung. In die Hand nehmen, genau ansehen,
vielleicht Funktionen testen, all das sind die
unschlagbaren Vorteile des Ladengeschäftes.
Umsatz ber Platzierungsgebhren
B8ta macht genau diese Eigenschaft zum Kern
der Geschäftsidee – und erweitert sie. Mitgrün-
der Phillip Raub muss nichts verkaufen, son-
dern nur präsentieren. »Unsere Besucher kön-
nen und sollen die Waren, meist coole elektri-
sche Gadgets wie Fotoroboter für Smartphones
oder ein e-paper-Notenheft, einfach anfassen
oder ausgiebig ausprobieren«, sagt er. Nie-
mand soll hier zum Kauf gedrängt werden.
Das Konzept funktioniert, weil sich B8ta nicht
durch Warenumsatz, sondern über monatli-
che Platzierungsgebühren finanziert, – abge-
rechnet nach Tisch oder Meter – die direkt
von den Herstellern kassiert werden. Das Ver-
sprechen von B8ta: eine exklusive Präsentati-
on und hervorragend auf die Produkte ge-
schultes Personal, das hier nicht Verkäufer,
sondern Berater heißt. Vor allem für Herstel-
ler, die überwiegend online verkaufen (müs-
sen), bietet B8ta eine Plattform, um Kunden
und Produkte vor Ort zusammen zu bringen.
Das Motto lautet: »See what the world is crea-
ting«. Der Gedanke dahinter ist, ambitionier-
te und smarte Produkte – meist aus dem Be-
reich des Internet of Things – zu präsentieren,
die Kunden im dichten Dschungel des Online-
Handels nur selten selbst entdecken würden.
Bei B8ta findet man alles, was man mögli-
cherweise gar nicht gesucht hat, aber trotz-
dem spannend findet.
Echte Bedürfnisbefriedigung dürfte ohnehin
kaum der Antrieb der Kunden sein, einen der
stylishen Läden zu betreten. Eher Neugier. Die
Wie kann das sein? Insbesondere der E-Com-
merce ist für stationäre Einzelhändler eine
zunehmend existenzielle Bedrohung. Schmel-
zende Gewinnmargen, die Modernisierung
der Versorgungskette und der IT sowie sich
verändernde Kundenerwartungen setzen den
Handel unter Druck, der möglichst auf allen
Kanälen gleichzeitig performen muss. Auch
im Ladenlokal.
Denn obwohl der Online-Handel den stationä-
ren Handel im Umsatz einholt und in Deutsch-
land laut Handelsverband Deutschland (HDE)
das rund zehnmal höhere Wachstum vorweist,
besorgen die Kunden einen sehr großen Teil
ihrer Einkäufe weiterhin im Bekleidungsge-
schäft, in der Drogerie oder im Lebensmittel­
einzelhandel. Auch für hochwertige Technik
wird gerne und oft der Weg ins Fachgeschäft
auf sich genommen – auch wenn hinterher
bei Amazon bestellt wird.
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