German Council Magazin 04.2018 - page 11

GCM 4/2018
GERMAN COUNCIL . WANDEL
© United Archives GmbH / Alamy Stock Photo
und ergänzt: »E-Commerce leistet immer stär-
ker seinen Beitrag zur Grundversorgung der Be-
völkerung.«
Und Corinna Powalla, Gründerin des Berliner
Online-Modeversands Modomoto und Ge-
schäftsführerin des Internet-Unternehmens
Curated Shopping Group, wertet den diesjähri-
gen heißen Sommer als weiteren Sargnagel
für den stationären Textilhandel. »Der Som-
mer 2018 wird als Zeitenwende in die Mode-
geschichte eingehen«, lässt sie sich vom Inter-
net-Branchendienst it4Retailers zitieren. We-
gen der Wärme würden Kunden kaum noch
Ladengeschäfte aufsuchen, sondern online be-
stellen. »Kollegen in der Branche berichten
mir von leeren Geschäften und liegen geblie-
bener Ware«, sagt Powalla. »Mir tun vor allem
die kleinen Boutique-Betreiber leid.«
Die realen Größenverhältnisse sehen anders
aus, wie jüngste Daten des Statistischen Bun-
desamtes zeigen. »Der Onlineanteil beim Ver-
kauf von Bekleidung beträgt nur 15,5 Pro-
zent«, sagt Bundesstatistiker Otfried Rörig.
Auch Computer und Software sowie Bücher,
das Ursprungsgeschäft des E-Commerce-Rie-
sen Amazon, werden in Deutschland von der
überwiegenden Mehrheit der Konsumenten
weiterhin im stationären Handel erworben. Le-
diglich bei der Musik kommt der Internet-Han-
del auf 50 Prozent – was vergleichsweise ge-
ring erscheint angesichts des massiven Online-
angebots von Apples iTunes Store, Google Play
Music und Spotify.
Kaum anders ist die Situation im Heimatland
von Amazon. E-Commerce sei nicht der Sargna-
gel des stationären Handels, legt Adam Ozimek,
Ökonom bei Moody’s Analytics, der auf wirt-
schaftliches Research fokussierten Tochter der
New Yorker Ratingagentur Moody’s, in einem
Thesenpapier für das Wirtschaftsmagazin For-
bes dar. »Entgegen der landläufigen Meinung
geht es den Backstein-Retailern in den USA gut.«
Zwar würden immer wieder mal große Einzel-
handelsketten wie jüngst der Spielwaren-Anbie-
ter Toys "R" Us in Schieflage geraten. Unter dem
Emmas Enkel
© Silvia Reimann
Udo Jürgens singt in den 1970er Jahren seine Ode an den »Tante-Emma-Laden an der Ecke vis-à-vis«
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Die neue GCM-APP
Strich sei der stationäre Einzelhandel jedoch
weiterhin sehr stark. Eine der Messlatten, an de-
nen Ozimek dies festmacht, ist die Zahl der Be-
schäftigten in Ladengeschäften und Shopping
Centern: »Sie ist aktuell nahe der historischen
Höchstwerte.«
Zudem sei das Vertrauen der Investoren in
Shopping Center ungebrochen. Allein in Phila-
delphia würden gerade die Gallery Mall und
die King of Prussia Mall für insgesamt 825 Mil-
lionen US-Dollar erweitert und modernisiert.
Und in Miami habe die Politik gerade grünes
Licht für die Errichtung des »American Dream«
gegeben, eines neuen Shopping- und Enter-
tainmentcenters mit 111.500 Quadratmetern
Verkaufsfläche, das der kanadische Projektent-
wickler und Mallbetreiber Triple Five für vier
Milliarden US-Dollar errichten will. »Das klingt
nicht so, als würde der stationäre Handel gera-
de zu Grabe getragen werden«, schlussfolgert
Ozimek.
Zwar ist Handel tatsächlich immer auch Wan-
del – doch der besteht vor allem darin, dass
dem Verbraucher zusätzliche Einkaufsmöglich-
keiten geboten werden. Weder das Waren-
haus, noch die Supermärkte verdrängten kom-
plett die kleinen Ladengeschäfte und Lebens-
mittler. Noch wird der E-Commerce den statio-
nären Handel obsolet machen, weil Kunden
immer auch Waren direkt anfassen und aus-
probieren wollen und persönliche Beratung
suchen. Was Udo Jürgens über die Tante-Em-
ma-Läden gesungen hat, gilt auch heute für
Backstein-Geschäfte: »Bei Tante Emma ist’s pri-
vat, sie ist kein Warenautomat...«
Ein Beitrag von
Richard Haimann,
freier Journalist
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