German Council Magazin 04.2018 - page 16

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GCM 4/2018
GERMAN COUNCIL . INTERVIEWS
Europa könnte scheitern, wenn noch mehr po-
pulistische Kräfte das Ruder in den Mitglied-
staaten übernehmen. Gleichzeitig will die EU
weiter wachsen. Wie wichtig ist es aus Ihrer
Sicht, die Beitrittsverhandlungen mit Serbien,
Montenegro, Albanien, Mazedonien, Bosnien-
Herzegowina, Kosovo – und vor allem mit der
Türkei fortzusetzen?
Die West-Balkanländer sind im Laufe des nächs-
ten Jahrzehnts alle so weit, dass sie Mitglied in
der Europäischen Union werden können. Die
Türkei ist heute für eine Vielzahl von
Jahren, die vor uns liegen, nicht mit-
gliedsreif. Sie entfernt sich immer
weiter von Europa, von unseren ge-
meinsamen Werten, von unseren
ökonomischen und demokratischen
Grundregeln, zu denen auch die Un-
abhängigkeit der Medien zählt.
Ist es vor dem Hintergrund der aktuellen Kon-
flikte ein Fehler gewesen, die Türkei nicht schon
viel früher in Europa aufzunehmen – bevor sie
an andere politische Kräfte verloren geht?
Anfang und Mitte des letzten Jahrzehnts hät-
ten wir mehr tun müssen, um den Annähe-
rungsprozess zu beschleunigen. Das ist im
Nachhinein sicherlich ein Fehler gewesen.
Herr Oettinger, aus Sicht des Handels sind stren-
ge Ladenöffnungszeiten ein Ärgernis – zumal
das in jedem Bundesland/europäischen Land
schon dazu gemacht, wie etwa das Rückgabe-
Recht von 14 Tagen bei Online-Käufen oder das
Recht des Käufers, auf allen »nationalen« Sei-
ten eines Online-Angebots zu bestellen und
nicht nur in dem seines Landes.
Noch ist der digitale Handel aber eine über-
schaubare Größe, und sein Wachstumskurs
geht zuallererst zulasten der analogen Ein-
kaufssysteme.
Noch mal kurz zumOnline-Handel, der
weltweit und unreguliert unterwegs
ist – anders als der stationäre Handel.
Brauchen wir eine europäische Rege-
lung, um für mehr Chancengleichheit
und Fairness zu sorgen?
Wir sollten nicht überregulieren. Aber
einige Standards und Grundregeln
sollte man für den gesamten europäi-
schen Binnenmarkt – sowohl für europäische
als auch für nicht-europäische Player – be-
schließen.
Die EU-Kommission hat die starre Sortimentsbe-
schränkung als Nachteil für den stationären
Handel in Deutschland erkannt und diese Rege-
lung auch kritisiert. Warum ist es darüber hin-
aus noch zu keiner Lösung gekommen?
Wir sind immer noch dabei, den Binnenmarkt
zu vollenden. Und da sind natürlich Industrie-
produkte oder Bankdienstleistungen noch
anders geregelt ist. Aber auch Fairness im Han-
del, Ausgewogenheit zwischen Online und Off-
line sind Themen, die die Mitglieder im German
Council of Shopping Centers umtreiben. Wird es
eines Tages eine gesamteuropäische Regelung
zu diesen Themen geben?
Wir haben ja einen Binnenmarkt für Waren
und Güter und damit auch einen Binnenmarkt,
der den Handel direkt betrifft. Und Binnen-
marktregeln sind europäische Regeln. Etwa die
Niederlassungsfreiheit, es gibt ja eine Gruppe
von Einkaufszentren, die in vielen europäi-
schen Ländern investiert hat. Da geht es um die
Freiheit für Waren und Güter. Im Lebensmittel-
bereich kann man bei den Unternehmen Carre-
four, Edeka und REWE überall in Europa in all
ihren Geschäften einkaufen, ohne darauf Zölle
bezahlen zu müssen.
Wir wollen aber auch einen echten digitalen
Binnenmarkt schaffen, in dem sich alle an die
gleichen Regeln halten müssen, auch Alibaba
oder Amazon. Einige Vorgaben haben wir ja
© Alexander Louvet – www.powershoots.be
›Wir wollen auch einen echten digitalen
Binnenmarkt schaffen, in dem sich alle an
die gleichen Regeln halten müssen, auch
Alibaba oder Amazon.‹
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